Entschuldigung, ich hätte da noch eine Frage. Darf man heutzutage noch einen muslimischen Geistlichen als Freund bezeichnen, ohne dass man Gefahr läuft, von den Häschern des Islamischen Staates verfolgt, aufgegriffen und geköpft zu werden?
Nun denn, ich bin Fatalist und tue es trotzdem. Sollen mir die Schergen des IS den Buckel herunterrutschen! Ich erkläre den Muezzin der Moschee an meiner Strasse in Şarampol, Muratpaşa Mahallesi, Antalya, zu meinem Freund: bu kadar resp. fertig Schluss!
Allah selbst sei mir gnädig, und alle Muslime dieser Welt mögen mir dies verzeihen! Es mutet sich schon komisch an, einen Menschen als Freund zu bezeichnen, obwohl ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen habe und er wahrscheinlich von meiner Existenz nichts weiss. Aber seine Stimme, die kenne ich sehr wohl.
Ich liege also schlafend, nichts ahnend und von Aygül träumend, in meinem Bett bei Fadime! Der Tag ist noch jung. Es ist dunkel, ruhig, und alles scheint ganz normal vonstatten zu gehen, bis dass der Muezzin in der keine hundert Meter entfernten Moschee mich in aller Herrgotts Frühe jäh aus meinen Träumen reisst! In voller Lautstärke punkt 4.30 Uhr liest er den Gebetsruf, preist Allah, huldigt ihm und ermahnt die Gläubigen zur Demut. Das erste Mal erschrak ich derart heftig, dass ich senkrecht in meinem Bett gestanden habe. Jawohl, meine lieben Freunde, ihr habt richtig gelesen, der Muezzin liest den Gebetsruf! Nun gut, ich nenne dies ein bisschen anders. Der Gebetsruf ist eher als ein krächzendes Singen zu taxieren! Ihr seht, ich brauche also keinen Wecker mehr, denn dies erledigt der Muezzin jeden Morgen.
Mittlerweile sind wir Freunde geworden, und ich habe mich an das morgendliche Ritual gewöhnt. Das heisst: Ich bin einfach jeden Morgen vor dem Gebetsruf wach, das erspart mir das Erschrecken. Doch eines Morgens, ich lag bereits wieder wach im Bett, punkt 4.30 Uhr und…Totenstille. «Aha, mein Freund, der Muezzin hat verschlafen», dachte ich. Dies passiert also auch ihm, dem pflichtbewussten, frommen Mann. Allah sei Dank! Ich kuschelte mich also wieder in mein Kissen, schlief ein und schlummerte friedlich vor mich hin. Aber hoppla: Zeitumstellung! Eine geschlagene Stunde später, also punkt 5.30 Uhr, plärrt mein Freund in sein Mikrofon, und ich erschrak abermals. Leicht genervt ging ich zum Fenster und rief in meinem Frust über die Strasse: «Muezzin, mein lieber Freund, wenn Allah doch gross, allmächtig und so gütig ist, warum um Himmels willen lässt er mich dann nicht schlafen? Kannst du mir das bitte erklären?» Der Muezzin ist mir bis heute eine Antwort schuldig geblieben.
Entschuldigung, ich habe da noch eine weitere Frage. Weiss jemand, ob es bei Apple’s iTune einen solchen Weckruf zu kaufen gibt?
Nun ist es aber schleunigst Zeit, ins Bett zu gehen, denn morgen früh… na ja, das kennt ihr ja.